Kranzniederlegung zum 25. Todestag Erich Gutenbergs

Vertreter des Vorstands der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft haben im Beisein der Familie Albach sowie von weiteren Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft, die dem Lebenswerk von Erich Gutenberg besonders verbunden waren, zum Gedenken an den 25. Todestag Erich Gutenbergs am 22. Mai 2009 am Grab auf dem Melaten-Friedhof in Köln einen Kranz niedergelegt. Die Ansprache, die Frau Prof. Dr. Marion Steven vom Vorstand an die Anwesenden gerichtet hat, ist im Folgenden für alle Mitglieder und Interessierten noch einmal wiedergegeben.

— Prof. Dr. Joachim Reese, Vorsitzender des Vorstands der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft Köln e.V.

Ansprache von Frau Professorin Dr. Marion Steven

Liebe Familie Albach, liebe Mitglieder der EGA, liebe Gäste!

Heute vor 25 Jahren verstarb Erich Gutenberg, der Namensgeber unserer wissenschaftlichen Vereinigung, im Alter von 86 Jahren. Die Zahl der hier und heute – trotz des Brückentages und des damit verbundenen langen Wochenendes – zusammengekommenen Personen zeigt, wie stark die Nachwirkungen sind, die die Persönlichkeit und das Wirken Erich Gutenbergs bis in die heutige Zeit haben. Im Namen des Vorstands der EGA danke ich Ihnen allen herzlich für Ihr Kommen. Meine Vorstandskollegen Professor Reese und Dr. Groß lassen sich heute entschuldigen, unserem jüngsten Vorstandsmitglieder Herrn Nobis gen. Wicherding darf ich ganz herzlich für die Organisation der heutigen Veranstaltung danken.

Ich betrachte es als eine große Ehre, heute ein paar Worte zum Gedenken an Erich Gutenberg sprechen zu dürfen, wobei meine Perspektive sicherlich eine ganz andere ist als die der meisten Anwesenden. Leider war es mir nicht vergönnt, ihn noch persönlich kennen zu lernen – schließlich war ich im Mai 1984 gerade im 6. Semester meines BWL-Studiums in Bielefeld und ahnte noch nicht, welchen großen Einfluss Professor Gutenberg auch posthum noch sowohl auf der wissenschaftlichen Ebene als auch über persönliche Beziehungen auf meinen zukünftigen Berufsweg haben würde.

Ich bin sehr stolz darauf, mich als wissenschaftliche Urenkelin von Erich Gutenberg bezeichnen zu dürfen. Meine Beziehung zu ihm ist die folgende: Ich selbst war Doktorandin und Habilitandin bei Professor Kistner in Bielefeld, dieser hat seine akademischen Weihen von Professor Albach in Bonn empfangen, und dessen wissenschaftliche und persönliche Beziehungen zu Erich Gutenberg sind wohl allen Anwesenden bestens bekannt.

Da ich also biographiebedingt leider nichts Konkretes über seine persönliche Wirkung und seine charismatische Ausstrahlung, die mir von vielen Weggenossen sehr intensiv geschildert worden sind, berichten kann, werde ich mich in meiner Würdigung auf die beiden Aspekte konzentrieren, anhand derer Erich Gutenberg noch heute in der BWL wahrgenommen wird – seine Schriften einerseits und die EGA andererseits.

In der heutigen betriebswirtschaftlichen Community ist Erich Gutenberg bekannt als „großer Kölner Betriebswirt“. Sieht man sich seinen Lebenslauf an, so verwundert dies auf den ersten Blick, denn von den 40 Jahren zwischen seinem BWL-Diplom in Frankfurt und seiner Emeritierung in Köln hat er lediglich 15 Jahre als Professor in Köln verbracht, und insgesamt 25 Jahre an Stationen wie Münster, Clausthal-Zellerfeld, Jena, Breslau und Frankfurt. Eine Erklärung für die überproportionale Wahrnehmung seiner Kölner Periode ist sicherlich, dass das Erscheinen seiner dreibändigen „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“, die eine revolutionäre Neuausrichtung der BWL auf Basis einer mikroökonomischen Fundierung bewirkte, in diese Zeit fiel.

In seinem fundamentalen Werk hat Erich Gutenberg viele Konzepte vorgedacht, die in den folgenden Jahrzehnten von anderen teils weiter ausgeführt, teils an anderer Stelle noch mal neu erfunden wurden. Ich denke dabei unter anderem an das absatzpolitische Instrumentarium, das später als Marketing-Mix populär wurde, an das Ausgleichgesetz der Planung, das sich in verschiedenen Planungssystemen wie z.B. OPT wieder findet oder an das System der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren. Weitere wichtige Ergebnisse seiner Forschung sind die doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion, das Substitutionsgesetz der Organisation oder die Produktionsfunktion vom Typ B, die allgemein als „Gutenberg-Produktionsfunktion“ bezeichnet wird.

Über all diese Einzelerkenntnisse hinaus hat Erich Gutenberg eine überzeugende Einordnung seiner Gedanken in ein konsistentes Gebäude vorgenommen. Er war somit einer der wenigen und heute fast ausgestorbenen Universal-Gelehrten in der BWL, der sich in sämtlichen betrieblichen Funktionsbereichen gleich gut auskannte, überall wichtige Beiträge lieferte und aber auch in der Lage war, seine theoretischen Erkenntnisse aus eigener praktischer Anschauung zu befruchten.

Der große Markterfolg seiner Bücher – der erste Band der „Grundlagen“ zur Produktion hat schließlich in 30 Jahren 24 Auflagen erfahren, davon wagen die meisten Kollegen nicht einmal zu träumen – zeigt die große Verbreitung und Akzeptanz seiner Gedanken. Leider sind die Gutenberg’schen Grundlagen heute aus dem Lehrkanon vieler wirtschaftswissenschaftlicher Fakultäten verschwunden bzw. nur noch implizit vorhanden. Z.B. werden an vielen Fakultäten den Studierenden in dem von mir vertretenen Bereich der Produktion Planungsmethoden und aktuelle Managementansätze präsentiert, ohne zunächst die Grundbegriffe betrieblicher Transformationsprozesse und die zugehörigen Kostenwirkungen anhand der Theorie der Anpassungsformen zu erklären.

Die enge Verbindung von Erich Gutenberg zu Köln und der Kölner Universität ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass er sich als Emeritus nicht aus der Wissenschaft zurückgezogen hat, sondern noch viele Jahre lang zunächst Doktoranden betreut und später an den jährlichen Treffen seiner Schüler teilgenommen hat. Aus diesen Treffen ist im Dezember 1994, also gut 10 Jahre nach seinem Tod, die EGA hervorgegangen. Der Zweck dieses gemeinnützigen Vereins ist laut Satzung „die Pflege des wissenschaftlichen Werkes von Professor Erich Gutenberg“ (§ 4, Absatz c). Dieser Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die Veranstaltung von Arbeitstagungen und die Förderung darauf bezogener Publikationen, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, der Zeitschrift Erich Gutenbergs.

Ein gutes Beispiel für diese Zusammenarbeit ist das Ende letzten Jahres erschienene Sonderheft der ZfB, in dem unter dem Titel „Erich Gutenbergs Theorie der Unternehmung – Wirkungen auf die heutige Betriebswirtschaftslehre“ die Schriftfassungen der Beiträge zusammengefasst sind, die auf der Jahrestagung der EGA anlässlich seines 110. Geburtstags gehalten wurden und die die Entwicklungen der Bereiche Produktion, Absatz, Finanzierung und Unternehmensführung auf der Basis von Gutenbergs Werk nachzeichnen. Die enge Zusammenarbeit zwischen der ZfB bzw. dem Gabler-Verlag und der EGA kommt auch darin zum Ausdruck, dass seit 5 Jahren der Bezug der ZfB für alle Mitglieder im Jahresbeitrag enthalten ist.

Während die Mitglieder der EGA anfangs vor allem die direkten Schüler Gutenbergs und deren wissenschaftlicher Nachwuchs waren, erfolgte später eine Öffnung für alle, die sich mit dem Satzungszweck identifizieren können. Heute ist die EGA mit ca. 270 Mitgliedern, die an vielfältigen verantwortungsvollen Stellen in Wirtschaft und Wissenschaft tätig sind, ein bunter, lebendiger und in der Öffentlichkeit deutlich wahrgenommener Verein. Dies ist unter anderem dem Wirken der verschiedenen Vorstandsmitglieder zu verdanken, die seit der Gründung wichtige Impulse zu seiner Weiterentwicklung gegeben haben. Ich bin sicher, dass die wissenschaftlichen Kerngedanken Erich Gutenbergs über die EGA auch in Zukunft weiter wirken werden, und bin gespannt, welche Entwicklung unser Verein in den kommenden Jahren nehmen wird. Ich bedanke mich für die Ehre, dass ich heute hier vor Ihnen sprechen durfte, und hoffe, dass wir gemeinsam einen angenehmen Nachmittag verbringen werden.

— Prof. Dr. Marion Steven