Das Werk Erich Gutenbergs

— von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Albach

Erich Gutenberg hat in seinem dreibändigen Werk „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“ eine allgemeine Theorie der Unternehmung geschaffen. Diese Theorie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  1. Sie ist ganzheitlich. Sie umfasst alle Funktion der Unternehmensführung, Produktion, Absatz und Finanzierung, unter einem einheitlichen Gesichtspunkt: Der Produktivitätsbeziehung zwischen Input und Output des Unternehmens.
  2. Sie ist interdisziplinär: Sie bezieht Erkenntnisse anderer Disziplinen (Arbeitspsychologie, Gruppensoziologie, Organisationssoziologie, Ingenieurwissenschaften, Rechtswissenschaften) ein, soweit sie für das Verständnis der Produktivitätsbeziehung relevant sind.
  3. Sie ist formal: Sie drückt die Produktivitätsbeziehung in einer Produktionsfunktion („Gutenberg-Produktionsfunktion“) und in einer Nachfragefunktion („Gutenberg-Nachfragefunktion“) formal aus.
  4. Sie ist modelltheoretisch: Sie arbeitet mit mikroökonomischen Modellen dort, wo sie nicht im Widerspruch zur aus der Anschauung gewonnen Erkenntnis der betrieblichen Realität stehen.

Gutenbergs Theorie der Unternehmung geht von drei wichtigen empirischen Erkenntnissen aus:

  1. Die Produktionsfunktion ist limitational. Der Faktor Arbeit ist nach Maßgabe der (technischen) Verbrauchsfunktion an den Faktor Betriebsmittel fest gekoppelt. Eine Substitution von Arbeit durch Kapital ist nur im Rahmen eines Wechsels der Produktionsfunktion (in Form einer Ersatzinvestition) möglich.
  2. Die Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens hängt von den Preisen und den Lieferantenwechselkosten der Kunden ab. Ein Kunde wird erst dann zu einem Wettbewerber übergehen, wenn die Einsparungen beim Preis größer sind als die Kosten des Wechsels des Lieferanten.
  3. Die Zusammenarbeit im Unternehmen beruht auf der Partnerschaft aller Beteiligten (Solidaritätsaxiom). Alle Beteiligten haben ein gemeinsames Ziel: Den Wert des Unternehmens für die Gesellschaft nachhaltig zu steigern.

Gutenbergs Theorie der Unternehmung hat die Praxis der Unternehmensführung nachhaltig beeinflusst:

  1. Sie liefert die theoretische Basis für eine entscheidungsorientierte Kostenrechnung. Das Activity Based Costing (ABC-System) ist direkt aus der Produktionsfunktion Gutenbergs abgeleitet.
  2. Sie liefert die Grundlage für die Produktionsplanung im mehrstufigen Industriebetrieb. In der Praxis verwendete Produktionsplanungs- und Ablauf-Systeme wie die Schachbrettmontage in der Automobilfertigung sind aus ihr direkt abgeleitet.
  3. Die Idee des akquisitorischen Potentials eines Unternehmens hat die Bemühungen in der Praxis um Herstellung größerer Kundennähe ausgelöst.
  4. Gutenbergs Analyse des absatzpolitischen Instrumentariums hat die praktischen Überlegungen über den effizienten Marketing-Mix nachhaltig beeinflusst.
  5. Gutenbergs Theorie liefert die Grundlage für die Verhandlungen der Unternehmensleitung mit den Banken über die Strukturierung des Kapitalfonds. Wirklichkeitsfremde Separationstheoreme spielen in Gutenbergs Finanzierungstheorie keine Rolle.